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Schon hast du, Freund, der letzten letzte Kuesse
Auf nasse Wangen uns gedrueckt;
Schon schon, beim Zaudern unentschlossner Fuesse,
Den schnellen Geist vorweg geschickt.
Fuer uns dahin! Doch nein, dem Arm entfuehret,
Wirst du dem Herzen nicht entfuehrt.
Dies Herz, o Freund, einmal von dir geruehret,
Bleibt ewig, trau! von dir geruehrt.
Erwarte nicht ein taeuschend Wortgepraenge,
Fuer unsre Freundschaft viel zu klein.
Empfindung hasst der Reime kalte Menge,
Und wuenscht unausposaunt zu sein.
Ein feuchter Blick sind ihre Zaubertoene;
Ein schlagend Herz ihr ruehrend Lied.
Sie schweigt beredt, sie stockt, sie stammelt schoene,
Ums staerkre Wort umsonst bemueht.
Es winken dir beneidenswerte Fluren,
Nur unsers Neides minder wert.
Zieh hin! und find auch da der Vorsicht goldne Spuren,
Um dich besorgt, von dir verehrt.
Dort* herrscht die Ruh, dort ist der Laerm vergangen,
Der hier** noch Musen stoeren darf,
Seit Pallas gern, auf Friederichs Verlangen,
Die spitze Lanze von sich warf.
* Halle.
** Wittenberg.
Umsonst rUestet Kalliope den Geist ihres Lieblings zu hohen
Liedern;
zu Liedern von Gefahren und Tod und heldenmuetigem Schweisse.
Umsonst; wenn das Geschick dem Lieblinge den Held versagt, und
beide
in verschiednen Jahrhunderten, oder veruneinigten LAendern geboren
werden.
Mit Dir, Gleim, ward es so nicht! Dir fehlt weder die Gabe den
Helden zu singen, noch der Held. Der Held ist Dein KOenig!
Zwar sang Deine frohe Jugend, bekraenzt vom rosenwangigten Bacchus,
nur von feindlichen Maedchen, nur vom streitbaren Kelchglas.
Doch bist Du auch nicht fremd im Lager, nicht fremd vor den
feindlichen Waellen und unter brausenden Rossen.
Was haelt Dich noch? Singe ihn, Deinen Koenig! Deinen tapfern, doch
menschlichen; Deinen schlauen, doch edeldenkenden Friedrich!
Singe ihn, an der Spitze seines Heers; an der Spitze ihm aehnlicher
Helden; soweit Helden den Goettern aehnlich sein koennen.
Singe ihn, im Dampfe der Schlacht; wo er, gleich der Sonne unter
den
Wolken, seinen Glanz, aber nicht seinen Einfluss verlieret.
Singe ihn, im Kranze des Siegs; tiefsinnig auf dem Schlachtfelde,
mit
traenendem Auge unter den Leichnamen seiner verewigten Gefaehrten.
Du weisst, wie Du ihn am besten singen sollst. Ich will unterdes
mit
aesopischer Schuechternheit, ein Freund der Tiere, stillere
Weisheit
lehren.-Ein Maerchen vom blutigen Tiger, der, als der sorglose Hirt
mit Chloris und dem Echo scherzte, die arme Herde wuergte und
zerstreute.
Ungluecklicher Hirte! Wenn wirst Du die zerstreuten Laemmer wieder
um
Dich versammeln? Wie rufen sie so aengstlich im Dornengehecke nach
Dir!
Freund, noch sind ich und du dem Gluecke
Ein leichter Schleiderball.
Und doch belebt auf seine Tuecke
Kein beissend Lied den Widerhall?
Der Tor gedeiht, der Spoetter steiget,
Dem Boesen fehlt kein Heil.
Verdienst steht nach, und fuehlt gebeuget
Ein lohnend Amt dem Golde feil.
Auf, Freund! die Geissel zu erfassen,
Die dort vermodern will.
Seit Juvenal sie fallen lassen,
Liegt sie, Triumph ihr Laster! still.
Geduld! Schon rauscht sie durch die Luefte,
Blutgierig rauscht sie her!
Verbergt, verbergt die blosse Huefte!
Ein jeder Schmiss ein giftger Schwaer!
Erst raeche dich, dich Freund der Musen.
Du raechest sie in dir!
Doch dann auch mich, in dessen Busen
Ein Geist sich regt, zu gut fuer hier.
Vielleicht, dass einst in andern Welten
Wir minder elend sind.
Die Tugend wird doch irgends gelten.
Das Gute koemmt nicht gern geschwind.
Auch dich hat, da du wardst geboren,
Die Muse laechelnd angeblickt;
Auch du hast dich dem Schwarm der Toren
Auf jungen Fluegeln kuehn entrueckt!
Ihm nach, dem Liebling des Maecenen!
Ihm nach, sein Name sporne dich!
Er lehrte dich, das Laster hoehnen;
Er mache dich ihm fuerchterlich!
Oh! schnitten wir mit gleichem Fluge
Die Luefte durch zur Ewigkeit!
Oh! schilderte mit einem Zuge
Zwei Brueder einst die Richterzeit!
“Die zwei", so soll die Nachwelt sprechen,
“Betaumelte kein Modewahn,
Die Sprache schoen zu radebrechen,
Zu stolz fuer eine Nebenbahn.”
Betritt der Alten sichre Wege!
Ein Feiger nur geht davon ab.
Er suchet blumenreichre Stege,
Und findet seines Ruhmes Grab.
Doch lerne frueh das Lob entbehren,
Das hier die Scheelsucht vorenthaelt.
Gnug, wann versetzt in hoehre Sphaeren,
Ein Nachkomm uns ins Helle stellt!
Paar, das, vom Glueck geliebt, auch Liebe gluecklich macht,—
Sie, die ein fuehlend Herz, und nicht die Ahnen schaetzet,
Und nicht der Wuerden saure Pracht,
Und nicht der Taten Glanz, die man in Marmor aetzet—
Er koemmt, hier ist er schon, der schoenste deiner Tage,
Der schoenste, weil die Lieb ihn schmueckt,
Und ihr erfuellter Wunsch der Hoffnung suesse Plage
Im Wechselkuss erstickt.
Dort in Aurorens Reich, am Quell vom ewgen Licht,
Wo unsre Tage stehn, die Wieg und Grab umgrenzen—
Ein sterblich Auge zaehlt sie nicht—
Dort sah, Beglueckte glaubts, der Dichter eure glaenzen!
Schnell hob sich dieser Tag, kenntbar am Rosenkranze,
Aus der gemeinen Tage Schar.
Es wuchs sein Glanz, und wuchs und ueberstieg am Glanze
Den Tag, der euch gebar.
So wie ein Bach, der in der Wueste schleicht,
Vergebens sein Krystall auf lauter Kieseln rollet,
Wenn ihn der Wandrer nicht erreicht,
Dem er den suessen Trunk, und dann das Schlaflied zollet:
So fliesst in kalter Still, in ungenossnen Stunden,
In Tagen, die Verdruss umhuellt,
Das faule Leben fort, die traurigen Sekunden,—
Wenn sie nicht Liebe fuellt.
Fuehlt ihr es, selig Paar? Und selig, wer es fuehlt!
Der Mensch, sich selbst ein Feind, kehrt oft den blinden Ruecken
Der Wollust zu, auf die er zielt,
Sucht in Zerstreuung Ruh, und Ruhm in Bubenstuecken.
Seht sie, vom Traum getaeuscht, in Sorg und Luesten schweben,
Dem fraessgen Strudel unsrer Zeit!
Dann waegt ihr Glueck und sagt: Gebt ihr fuer all ihr Leben
So einen Tag als heut?
Dort sinnt, in banger Nacht, ein Sklav von fluechtgem Ruhm
Von Amt auf Aemter hin. Der Maertyrer der Titel,
Des kranken Wahnes Eigentum,
Schaemt sich, vor lauter Ehr, auch nicht entehrter Mittel.
Hier haeuft der bleiche Geiz das Geld zur eignen Plage,
Und atmet kaum vor Hunger mehr.
Sagt, liebend Paar, gebt ihr fuer ihre ganzen Tage
So einen Tag, als der?
Er selbst, der kuehne Held, wenn er vom Kriegsgott glueht—
Du weisst es, Braeutigam!—sprich, wenn im blutgen Streite
Er starr mit einem Blicke sieht
Vor sich den wilden Tod, und Ewigkeit zur Seite;
Wenn er, da ueber ihm die Himmel Famen hoeren,
Fuer Friedrichen und durch ihn siegt—
Bist du—gesteh es nur der Menschlichkeit zu Ehren—
So schoen, als jetzt vergnuegt?
O Braut, press ihm dies Nein—vermag dein Reiz es doch—
Aus der bewegten Brust. Und ja, dir wird ers sagen.
Der sanften Lieb unschimpflich Joch
Ward auch vom Tapfersten im Lorbeerkranz getragen.
Nur tolle Haerte waehnt, es traet ein zaertlich Herze
Dem Mut, dem staehlern Mut, zu nah.
Er selbst, der Krieger Gott, voll Blut und Staub und Schwaerze,
Mars kennt Cytheren ja.
Den Prunk der grossen Welt, und die verlarvte Stadt
Floh zwar seit langer Zeit die Gottheit holder Liebe.
Wo Buhlerei den Tempel hat,
Sind, die Verliebte sind, Verraeter oder Diebe.
Sie floh zur stillen Flur, wo, bei gelassner Jugend,
Die Einfalt Schoene schoener macht.
Da brannt ihr Rauchaltar!—Doch juengst hat sie die Tugend
Zu euch zurueck gebracht.
Sie kam. Ich sah den Zug; ein Dichter sieht ihn nur.
Der Fruehling, vor ihr her, verscheuchte Frost und Wetter,
Und Weste folgten ihrer Spur,
Und in den Westen lacht ein Schwarm der Liebesgoetter.
Es fuehrten Tugend sie und Lust in enger Mitten,
Lust, welche nie der Liebe fehlt,
Und nie die Tugend hasst; und unter ihren Tritten
Ward auch der Stein beseelt.
Zu euch, glueckselig Paar, zu euch zog dieser Zug.
Verbergt die Goettin nicht! Sie glueht in euren Blicken;
(Die sind sie zu verraten gnug,)
Sie, die euch mehr beglueckt, als Schaetz und Stand begluecken.
Verbergt die Liebe nicht! Das Laster mag sie hassen,
Denn das soll ewig sich nicht freun.
Wie traurig wird die Flur, die sie um euch verlassen,
Den Schaeferinnen sein!
Welch leichter Morgentraum liess, auf den heilgen Hoehen,
Der Musen Fest um Friedrichs Bild
Mich bei Aurorens Glanz mit frommem Schauer sehen,
Der noch, der noch die Seele fuellt.
Ein Traum? nein, nein, kein Traum. Ich sah mit wachem Sinne
Die Musen tanzten darum her.
Wach ward ich nah dabei Caesars und Solons inne,
Doch keinen, dass er neidisch waer.
Ein suesser Silberton durchzitterte die Luefte,
Bis in des Ohres krummen Gang;
Die Blumen brachen auf, und streuten Balsamduefte;
Der Berg lag lauschend; Klio sang:
“Heil dir! festlicher Tag, der unsern Freund geboren.
Ein Koenig, Schwestern, unser Freund!
Heil dir! uns neues Reich, zum Schauplatz ihm erkoren,
Dem frommen Krieger, niemands Feind!
Lasst freudig um sein Bild, voll Majestaet in Blicken,
Der Taenze Hieroglyphen ziehn!
Einst, Schwestern, tanzen wir, mit trunkenerm Entzuecken,
Einst, freut euch, tanzen wir um ihn!”
Einst tanzen wir um ihn? Prophetin banger Schrecken!
Nie werde dieses Wort erfuellt!
Nie moeg ein Morgenrot zu diesem Glueck euch wecken!
Tanzt, Musen, ewig um sein Bild!
Im Spiel, dem Huld und Macht
Die Welt zur Buehne gab, das Weisheit ausgedacht,
In diesem Spiel zur kurzen Szen erlesen,
Jahr! Zeit, fuer Sterbliche gewesen!
Fuer ihn, der eh du kamst, dich als gekommen sah,
Fuer Gott noch da!
So wie ein Strom, der aus der Erde bricht,
Und wenig Meilen rollt, und wieder sich verkriecht,
Bist du, aus der du dich ergossen,
Zur Ewigkeit,—die Gott, mit aller Welten Last,
Im Zipfel seines Kleides fasst,—
Zur Ewigkeit zurueck geflossen.
Vom Duerftigen verseufzt, mit traenenvollen Blicken
Des Reuenden verfolgt, zurueck gewuenscht vom Tor,
Vom Gluecklichen erwaehnt mit trunkenem Entzuecken:
Jahr, welche Botschaft von der Erde,—
Jetzt unwert jenes Rufs: Sie werde!—
Bringst du dem Himmel vor?
Botschaft ach! vom Triumph des Lasters ueber Tugend,
Hier vordem ihrem liebsten Sitz;
Von Vaetern boeser Art; Botschaft von schlimmrer Jugend;
Von Feinden Gottes, stolz auf Witz;
Botschaft von feiler Ehr, womit die Schmach sich schmuecket;
Von ungerechtem Recht, das arme Fromme druecket.
Botschaft, dass die Natur laengst unsrer muede worden,
Die dort mit Fluessen Feuers schreckt,
Das paradiesische Gefilde ueberdeckt,
Und dort, geschaeftig im Ermorden,
Der aufgebotnen Pest
Die giftgen Schwingen schuetteln laesst.
Botschaft von hingerissnen Goettern
Der einst durch sie regierten Welt;
Botschaft von finstern Kriegeswettern,
Die hier ein Gott zuruecke haelt,
Und dort ein Gott, der grausamer verfaehrt,
Mit immer neuen Blitzen naehrt.
Doch Botschaft auch von einem Lande,
Wo Friederich den weichen Zepter fuehrt,
Und Ruh und Glueck, im schwesterlichen Bande,
Die Schwellen seines Thrones ziert;
Des Thrones, ungewiss, ob ihn mehr Vorsicht schuetzt,
Als Liebe stuetzt.
O ihr, die Friedrich liebt, weil er geliebt will sein,
Ihr Voelker jauchzt ihm zu! Der Himmel stimmet ein.
Auf! strebt, dass er mit diesem Jahre,
Wenn er sie jetzt nicht schon erfaehrt,
Die wichtge Botschaft froh erfahre:
Ihr waeret eures Friedrichs wert.
Wie zaudernd ungern sich die Jahre trennen mochten,
Die eine Goetterhand
Durch Kraenze mancher Art, mit Pracht und Scherz durchflochten,
Uns ineinander wand!
So traeg, als huebe sich ein Adler in die Luefte,
Den man vom Raube scheucht:
Noch schwebt er drueber her, und witternd fette Duefte,
Entflieht er minder leicht.
Welch langsam Phaenomen durchstreicht des Aethers Wogen,
Dort wo Saturn gebeut?
Ist es? Es ists, das Jahr, das reuend uns entflogen,
Es fliegt zur Ewigkeit.
Das reuend uns entflog, Dir Friedrich zuzusehen,
Kein Saekulum zu sein;
Mit Deinem ganzen Ruhm belastet fort zu gehen,
Und sich der Last zu freun.
Noch oft soll manches Jahr so traurig von uns fliegen,
Noch oft, zu unserm Glueck.
Vom Himmel bist Du, Herr, zu uns herabgestiegen;
Kehr spaet! kehr spaet zurueck!
Lass Dich noch lange, Herr, den Namen Vater reizen,
Und den: menschlicher Held!
Dort wird der Himmel zwar nach seiner Zierde geizen;
Doch hier braucht Dich die Welt.
Noch seh ich mich fuer Dich mit raschen Richteraugen
Nach einem Dichter um.
Dort einer! hier und da! Sie taugen viel, und taugen
Doch nichts fuer Deinen Ruhm.
Ist er nicht etwa schon und singt noch wenig Ohren,
Weil er die Kraefte wiegt:
So werd er dieses Jahr, der seltne Geist, geboren,
Der diesen Kranz erfliegt.
Wenn er der Mutter dann sich leicht vom Herzen windet,
O Muse, lach ihn an!
Damit er Feur und Witz dem Edelmut verbindet,
Poet und Biedermann.
Hoert! oder taeuschen mich beliebte Rasereien?
Nein, nein, ich hoer ihn schon.
Der Heere ziehend Laerm sind seine Melodeien,
Und Friedrich jeder Ton!
Wem toent dies kuehnre Lied? dies Lied, zu wessen Lobe,
Hoert es noch manche spaete Welt?
Hier steh ich, sinne nach, und glueh und stampf und tobe,
Und suche meiner Hymnen Held.
Wer wird es sein? Vielleicht im blutgen Panzerkleide
Des Krieges fuerchterlicher Gott?
Um ihn toent durch das Feld gedungner Krieger Freude,
Und der Erwuergten lauter Tod.
Wie, oder ists vielmehr in fabellosen Zeiten
Ein neuer goettlicher Apoll,
Der, schwer entbehrt, mit schnell zurueckberufnen Saiten
Den Himmel wieder fuellen soll?
Wo nicht, so werde der der Vorwurf meiner Lieder,
Der sich als Themis' Raecher wies,
Und dessen frommes Schwert der giftgen Zanksucht Hyder
Nur drei von tausend Koepfen liess.
Doch ihn, Apoll und Mars, in Friedrichen vereinet,
Vereine, mein Gesang, auch du!
Wann einst ein junger Held bei seinem Grabe weinet,
So zaehl ihm seine Taten zu!
Fang an von jenem Tag—Doch, welch ein neues Feuer
Reisst mich vom niedern Staub empor?
Auch Koenige sind Staub! Seid ihnen treu; dem treuer,
Der sie zu besserm Staub erkor.
Wer wird, voll seines Geists, mir seinen Namen melden?
Sein Nam ist ihm allein bewusst.
Er ist der Fuersten Fuerst, er ist der Held der Helden;
Er fuellt die Welt und meine Brust.
Er rief sie aus des Nichts nur ihm folgsamem Schlunde;
Er ruft sie noch, dass sie besteht.
Sie bebt, sie wankt, so oft ein Hauch aus seinem Munde
Den Fluch in ihre Sphaeren weht.
O dreimal Schrecklicher!—doch voller Quell des Guten,
Du bist der Schreckliche nicht gern.
Den weiten Orient zerfleischen deine Ruten;
Uns, Vater, zeigst du sie von fern.
Wie, dass des Undanks Frost die traegen Lippen bindet,
Volk, dem er Heil, wie Flocken, gibt!
Ihm dank es, wenn ein Jahr in suesser Ruh verschwindet;
Ihm dank es, dass dich Friedrich liebt.
Wunsch, der du in der Brust geheimer Lieblingssuenden
Geheimes Werkzeug bist,
Das oft ein lauter Freund—wer kann das Herz ergruenden?—
Ein stiller Moerder ist;
Durch Laster, Torheit, Wahn zu sehr, zu sehr entweihet,
Braucht keine Muse dich;
Die feile waer es denn, die um den Poebel freiet,
Und singt sich laecherlich.
Juengst als Kalliope den Hain und Aganippen
Um ihren Helden mied,
Und zog auf Sanssouci, erklang von ihren Lippen
Ein prophezeiend Lied.
“Noch lange wird dies Land, mit den erfochtnen Staaten,
Im Schoss des Friedens ruhn;
Denn sein Beschuetzer traegt die Lorbeern grosser Taten,
Um groessere zu tun.
Er braucht den Sieg als Sieg, macht Kunst und Handel rege
Und zeichnet jedes Lauf.”—
Sie schwieg, und ploetzlich stiess, zur Linken an dem Wege,
Ein rascher Adler auf.
Dem segnete sie nach mit heiligem Entzuecken
Und aufgehobner Hand,
Bis er, am Ziel des Flugs, vor ihren schaerfern Blicken,
Dem Thron des Zeus, verschwand.
Hat, neuer Himmelsbuerger, sich
Dein geistig Ohr nicht schon des Klagetons entwoehnet,
Und kann ein banges Ach um dich,
Das hier und da ein Freund bei stillen Traenen stoehnet,
Dir unterm jauchzenden Empfangen
Der bessern Freunde hoerbar sein,
So sei nicht fuer die Welt, mit unserm Schmerz zu prangen,
Dies Lied: es sei fuer dich, fuer dich allein!
Wann war es, da auch dich noch junge Rosen zierten?
(Doch nein, die Rosen ziertest du!)
Da Freud und Unschuld dich, im Tal der Hoffnung, fuehrten
Dem Alter und der Tugend zu?
Gesichert folgten wir: als schnell aus schlauen Hecken
Der Unerbittliche sich wies,
Und dich, den Besten, uns zu schrecken,
Nicht dich zu strafen, von uns riss.
Wie ein geliebtes Weib vom steilen Ufer blicket
Dem Schiffe nach, das ihre Kron entreisst:
Sie steht, ein Marmorbild, zu Stunden unverruecket;
In Augen ist ihr ganzer Geist:
So standen wir betaeubt und angeheftet,
Und sannen dir mit starren Sinnen nach,
Bis sich der Schmerz durch Schmerz entkraeftet,
Und stroemend durch die Augen brach.
Was weinen wir? Gleich einer Weibersage,
Die im Entstehn schon halb vergessen ist,
Flohst du dahin!—Geduld! noch wenig Tage,
Und wenige dazu, so sind wir, was du bist.
Ja, wenn der Himmel uns die Palme leicht erringen,
Die Krone leicht ersiegen laesst,
So werden wir, wie du, das Alter ueberspringen,
Des Lebens unschmackhaften Rest.
Was wartet unser?—Ach! ein unbelohnter Schweiss,
Im Joch des Amts bei reifen Jahren,
Fuer andrer Wohl erschoepft, als unbrauchbarer Greis
Hinunter in die Gruft zu fahren.
Doch deiner wartet?—Nein! was kannst du noch erwarten
Im Schoss der vollen Seligkeit?
Nur wir, auf blindes Glueck, als Schiffer ohne Karten,
Durchkreuzen ihn, den faulen Pfuhl der Zeit.
Vielleicht—noch ehe du dein Gluecke wirst gewohnen,
Noch ehe du es durchempfunden hast—
Flieht einer von uns nach in die verklaerten Zonen,
Fuer dich ein alter Freund, und dort ein neuer Gast.
Wen wird—verborgner Rat!—die nahe Reise treffen
Aus unsrer jetzt noch frischen Schar?
O Freunde, lasst euch nicht von suesser Hoffnung aeffen!
Zum Wachsamsein verbarg Gott die Gefahr.
Komm ihm, wer er auch sei, verklaerter Geist, entgegen,
Bis an das Tor der bessern Welt,
Und fuehr ihn schnell, auf dir dann schon bekannten Wegen,
Hin, wo die Huld Gerichte haelt.
Wo um der Weisheit Thron der Freundschaft Urbild schwebet,
In seraphinschem Glanze schwebt;
Verknuepft uns einst ein Band, ein Band von ihr gewebet;
Zur ewgen Dauer fest gewebt!
Zu frUeh wAer es, viel zu frueh, wenn schon jetzt, den gueldnen
Faden
Deines Lebens zu trennen, der blutige Mars, oder die donnernde
Bellona, der freundlich saumseligen Klotho vorgriff!
Der nur falle so jung, der in eine traurige, Oede Wueste hinaus
sieht,
in kuenftige Tage, leer an Freundschaft und Tugend, leer an grossen
Entwuerfen zur Unsterblichkeit:
Nicht Du, o Kleist; der Du so manchen noch froh und gluecklich zu
machen wuenschest—Zwar schon solche Wuensche sind nicht die
kleinsten
edler Taten-Nicht Du, dem die vertrauliche Muse ins Stille
winkt—Wie
zuernt sie auf mich, die Eifersuechtige, dass ich die waffenlosen
Stunden Deiner Erholung mit ihr teile!
Dir zu gefallen, hatte sie dem Lenze seinen schoensten Schmuck von
Blumen und Perlen des Taues entlehnet; gleich der listigen Juno den
Guertel der Venus.
Und nun lockt sie Dich mit neuen Bestechungen. Sieh! In ihrer
Rechte blitzt das tragische Szepter; die Linke bedeckt das weinende
Auge, und hinter dem festlichen Schritte wallt der koenigliche
Purpur.
Wo bin ich? Welche Bezaubrung!—Letzte Zierde des ausgearteten
Roms!
—Dein Schueler; Dein Moerder!—Wie stirbt der Weise so ruhig! so
gern!
—Ein williger Tod macht den Weisen zum Helden, und den Helden zum
Weisen.
Wie still ist die fromme Versammlung!—Dort rollen die Kinder des
Mitleids die schoenen Wangen herab; hier wischt sie die maennliche
Hand
aus dem weggewandten Auge.
Weinet, ihr Zaertlichen! Die Weisheit sieht die Menschen gern
weinen!
—Aber nun rauscht der Vorhang herab! Klatschendes Lob betaeubt
mich,
und ueberall murmelt die Bewundrung: Seneka und Kleist!
Und dann erst, o Kleist, wenn Dich auch diese Lorbeern, mit der
weissen Feder, nur uns Dichtern sichtbar durchflochten, wenn beide
Deinen Scheitel beschatten—Wenn die liebsten Deiner Freunde nicht
mehr sind-Ich weiss es, keiner von ihnen wird Dich gern
ueberleben—Wenn Dein Gleim nicht mehr ist—Ausser noch in den
Haenden
des lehrbegierigen Knabens, und in dem Busen des sproeden
Maedchens,
das mit seinem Liede zu Winkel eilet-Wenn der redliche Sulzer ohne
Koerper nun denkt—Hier nur noch der Vertraute eines kuenftigen
Grueblers, begieriger die Lust nach Regeln zu meistern, als sie zu
schmecken.
Wenn unser laechelnder Rammler sich tot kritisierst—Wenn der
harmonische Krause nun nicht mehr, weder die Zwiste der Toene, noch
des Eigennutzes schlichtet-Wenn auch ich nicht mehr bin—Ich,
Deiner
Freunde spaetester, der ich, mit dieser Welt weit besser zufrieden,
als sie mit mir, noch lange sehr lange zu leben denke-Dann erst, o
Kleist, dann erst geschehe mit Dir, was mit uns allen geschah! Dann
stirbst Du; aber eines edlern Todes; fuer Deinen Koenig, fuer Dein
Vaterland, und wie Schwerin!
O des beneidenswuerdigen Helden!—Als die Menschheit in den
Kriegern
stutzte, ergriff er mit gewaltiger Hand das Panier.—Folgt mir!
rief
er, und ihm folgten die Preussen.
Und alle folgten ihm zum Ziele des Siegs! Ihn aber trieb allzuviel
Mut bis jenseit der Grenzen des Sieges, zum Tode! Er fiel, und da
floss das breite Panier zum leichten Grabmal ueber ihn her.
So stuerzte der entsaeulte Palast, ein schreckliches Monument von
Ruinen, und zerschmetterten Feinden, ueber dich, Simson, zusammen!
So
ward dein Tod der herrlichste deiner Siege!
Orpheus, wie man erzaehlt, stieg seine Frau zu suchen in die Hoelle
herab. Und wo anders, als in der Hoelle, haette Orpheus auch seine
Frau suchen sollen?
Man sagt, er sei singend herabgestiegen. Ich zweifle im geringsten
nicht daran; denn solange er Witwer war, konnte er wohl vergnuegt
sein
und singen.
Berge, Fluesse, und Steine folgten seinen Harmonien nach; und wenn
er
auch noch so schlecht gesungen haette, so waeren sie ihm doch
nachgefolgt.
Als er ankam und seine Absicht entdeckte, hoerten alle Martern auf.
Und was koennten fuer einen so dummen Ehemann wohl noch fuer
Martern
uebrig sein?
Endlich bewog seine Stimme das taube Reich der Schatten; ob es
gleich
mehr eine Zuechtigung als eine Belohnung war, dass man ihm seine
Frau
wiedergab.
Ode 8. Lib. II.
Haette dich je des verwirkten Meineids Strafe getroffen; wuerde nur
einer deiner Zaehne schwarz; nur einer deiner Naegel haesslicher;
so
wollt ich dir glauben,
Kaum aber hast du das treulose Haupt mit falschen Geluebden
verstrickt;
so bluehst du weit schoener auf, und trittst stolz einher, aller
Juenglinge sehnlichstes Augenmerk.
Dir steht es frei, der Mutter beigesetzte Asche, die stillen
Gestirne
der Nacht, und den ganzen Himmel, und alle unsterblichen Goetter zu
taeuschen.
Venus selbst, wie gesagt, lachet darueber; die guten Nymphen
lachen;
es lachet der immer brennende Pfeile auf blutigem Wetzstein
schleifende, strenge Kupido.
Noch mehr: nur dir reitet die Jugend alle, nur dir wachsen in ihr
immer neue Sklaven auf; und noch koennen die Alten dich, ihre
gewissenlose Gebieterin, nicht meiden, so oft sie es auch gedroht.
Dich fuerchten die Muetter fuer ihre Soehne; dich fuerchten die
geizigen
Alten; dich fuerchten die armen nur erst verheirateten Maedchen, um
deren Maenner es geschehen ist, wenn sie einmal deine Spur finden.
“Ad Barinen” wird die Ode ueberschrieben. Diese Barine war ohne
Zweifel eine Freigelassene, welche das Handwerk einer Buhlerin
trieb.
Tan. Faber hat diesen Namen in Carine verwandeln wollen, weil
Barine weder griechisch noch lateinisch sei; und Dacier billiger
diese Veraenderung. Konnte aber eine Sklavin, welches Barine
gewesen
war, nicht leicht aus einem barbarischen Lande, von barbarischen
Eltern entsprossen sein?
Du, durch den einst Horaz lebte, dem Leben ohne Ruhe, ohne
Bequemlichkeit, ohne Wein, ohne den Genuss einer Geliebten kein
Leben
gewesen waere; du, der du jetzt durch den Horaz lebst; denn ohne
Ruhm
in dem Gedaechtnisse der Nachwelt leben, ist schlimmer als ihr gar
unbekannt zu sein;
Du, o Maecen, hast uns deinen Namen hinterlassen, den die Reichen
und
Maechtigen an sich reissen, und die hungrigen Skribenten
verschenken;
aber hast du uns auch von dir etwas mehr als den Namen gelassen?
Wer ists in unsern eisern Tagen, hier in einem Lande, dessen
Einwohner von innen noch immer die alten Barbaren sind, wer ist es,
der einen Funken von deiner Menschenliebe, von deinem tugendhaften
Ehrgeize, die Lieblinge der Musen zu schuetzen, in sich haege?
Wie habe ich mich nicht nach einem nur schwachen Abdrucke von dir
umgesehen? Mit den Augen eines Beduerftigen umgesehen! Was fuer
scharfsichtige Augen!
Endlich bin ich des Suchens muede geworden, und will ueber deine
Afterkopien ein bitteres Lachen ausschuetten.
Dort, der Regent, ernaehrt eine Menge schoener Geister, und braucht
sie
des Abends, wenn er sich von den Sorgen des Staats durch Schwaenke
erholen will, zu seinen lustigen Raeten. Wieviel fehlt ihm, ein
Maecen
zu sein!
Nimmermehr werde ich mich faehig fuehlen, eine so niedrige Rolle zu
spielen; und wenn auch Ordensbaender zu gewinnen stuenden.
Ein Koenig mag immerhin ueber mich herrschen; er sei maechtiger,
aber
besser duenke er sich nicht. Er kann mir keine so starken
Gnadengelder geben, dass ich sie fuer wert halten sollte,
Niedertraechtigkeiten darum zu begehen.
Corner, der Wolluestling, hat sich in meine Lieder verliebt.
Er
haelt mich fuer seinesgleichen. Er sucht meine Gesellschaft. Ich
koennte taeglich bei ihm schmausen, mich mit ihm umsonst betrinken,
und
umsonst auch die teuerste Dirne umfangen; wenn ich nur mein Leben
nicht achtete; und ihn als einen zweiten Anakreon preisen wollte.
Ein Anakreon, dass es den Himmel erbarme! welcher das Podagra und
die
Gicht hat, und noch eine andre Krankheit von der man zweifelt, ob
sie
Columbus aus Amerika gebracht hat.
Die ich dich nie dem Chor unschuldger Scherze raubte,
Und schwer beklemmt zu bangen Klagen rief,
Die Rosen heut, o Muse, von dem Haupte,
Das gestern noch im Schoss der frohen Jugend schlief;
Und aus der freien Rechte
Den fuerchterlichen Stab,
Den, als der Pindus juengst in Libers Laube zechte,
Dir der vergnuegte Wirt zum Freundschaftspfande gab;
Reiss schnell, der Weste Spiel, das flatternde Gewand
In schmutzig unachtsame Falten!
Und trenn mit ungestuemer Hand
Die Perlenschnur, bestimmt das gueldne Haar zu halten.
*
Nun nimm sie hin, die mir getreuen Saiten,
Und stimme sie zum Trauerten herab,
Zum Ton geschickt die Seufzer zu begleiten,
Und fromm zu schallen um ein Grab.